Vom Kiefer zum Becken
R.E.S.E.T. ist die Abkürzung für Rafferty Energy System of Easing the Temporomandibular Joint und heißt übersetzt: Rafferty-Energie-System zur Entlastung des Kiefergelenks. Der Australier Philip Rafferty hat diese schmerzfreie, nicht invasive Entspannungsmethode begründet, die seit Mitte der 1990er Jahre weltweit gelehrt wird (Rafferty 2012). Dabei werden verschiedene Positionen im Kieferbereich bei geschlossenem und geöffnetem Mund gehalten. Die Berührung der Hände regt die Blutzirkulation an und bringt elektromagnetische Impulse in Fluss. So können Anspannungen im Kieferbereich gelöst, die beiden Kiefergelenke energetisch ausgeglichen und die Selbstregulierungskräfte des Körpers in diesem Bereich aktiviert werden.
Eine R.E.S.E.T.-Anwendung dauert knapp 40 Minuten. Man kann die Positionen mit den eigenen Händen halten oder sich behandeln lassen, wodurch die Entspannung deutlich vertieft wird.
Wie wirkt die Methode?
R.E.S.E.T. hat einen positiven, regulierenden Effekt auf den ganzen Körper: Muskelverspannungen im Kieferbereich lösen sich, Nacken und Rücken entspannen, Stoffwechsel und Verdauung werden positiv beeinflusst. Gereizte Nerven beruhigen sich, besonders der Trigeminusnerv, der den Kieferbereich innerviert.
Energieungleichgewichte im Meridiansystem werden ausgeglichen und die sanften Impulse wirken harmonisierend auf die craniosacrale Dynamik. Durch die Entspannung und bessere Durchblutung wird ein Entgiftungs- und Entschlackungsvorgang in Gang gesetzt, der sich auch auf die Hydration auswirkt. Aus diesem Grund ist vorsichtshalber in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten von einer R.E.S.E.T.-Anwendung abzusehen.
Was den Kiefer so besonders macht
Die beiden Kiefergelenke sitzen an einer zentralen Schaltstelle für den gesamten Bewegungsapparat. Sie sind die höchstgelegenen Gelenke im Körper und damit der oberste Punkt, an dem statische Ungleichgewichte ausgeglichen werden können. Wie ein Mobile arbeiten die Fuß-, Knie-, Hüft-, Schulter-, Kiefergelenke und die Wirbelsäule zusammen und bedingen sich in ihren Lagen gegenseitig. Zusammen mit Muskeln und Faszienketten bilden sie ein dynamisches Spannungsnetzwerk, das für koordinierte Bewegungen und eine aufrechte Körperhaltung sorgt.
Wenn das Kind in der Schwangerschaft stetig wächst und schwerer wird, kommen die haltenden Strukturen zunehmend unter Zug. Viele Schwangere spüren nicht nur in Rücken und Becken, sondern eben auch im Kiefer die Verlagerung des Körperschwerpunktes und die nötige Kompensation. Dieser Prozess kann mit R.E.S.E.T. sanft begleitet und der Körper entlastet werden. Klientinnen, die in der Schwangerschaft regelmäßige R.E.S.E.T.-Anwendungen erhalten hatten, äußerten den Eindruck, dass ihnen dies ein leichteres Öffnen des Beckenbodens ermöglicht habe und damit die Geburt positiv beeinflusst worden sei.
Den Kiefer zu entspannen, ist allerdings gar nicht so einfach. Aufgrund seiner existenziellen Bedeutung für Atmung, Kommunikation, Nahrungsaufnahme und Körperhaltung ist vielmehr ständiges präzises Funktionieren und Kontrollieren angesagt, und das in der Regel unbewusst. Ein guter Anfang ist daher, bewusst Kontakt zum Kiefer aufzunehmen und die routinierten Abläufe mit den gezeigten Übungen zu unterbrechen. Probieren Sie es aus!
Übung 1: Kontaktaufnahme
Der unermüdlich arbeitende große Kaumuskel an der Außenseite des Unterkiefers (Musculus masseter) ist im Verhältnis zu seiner Größe der stärkste Muskel unseres Körpers. Er ist häufig schmerzempfindlich.
Wie ist es bei Ihnen? Öffnen Sie Ihren Mund und ertasten Sie die vordere Kante des Masseters, indem Sie auf der oberen Zahnreihe bis zu dem Muskelstrang entlangtasten (siehe Abbildung 1).
Streichen Sie dann mehrmals mit leichtem Druck auf dieser Kante bis zum Unterkiefer auf und ab (siehe Abbildung 2 und 3).
Übung 2: Halten des großen Kaumuskels
Nehmen Sie Ihr Gesicht sanft in beide Hände, so dass die Wangen bedeckt sind. Der Mund ist geschlossen, die Zahnreihen berühren sich nicht (siehe Abbildung 4).
Üben Sie keinen Druck aus. Stellen Sie sich vor, wie aus den Händen Energie in die Kaumuskeln fließt. Nach einer Minute öffnen Sie den Mund, soweit es schmerzfrei geht und halten die Position für etwa zwei Minuten (siehe Abbildung 5).
Achten Sie darauf, dass die Zunge locker im Mundboden liegt. Die Entspannung ist größer, wenn Sie die Arme dabei auf einem Tisch abstützen und die Augen schließen.
Übung 3: Energie für die Kiefergelenke
Legen Sie Ihre Fingerspitzen an der linken und rechten Hand zusammen (siehe Abbildung 6) und setzen Sie sie direkt vor der Ohröffnung auf die beiden Kiefergelenke sanft auf.
Stellen Sie sich vor, dass Sie die Kiefergelenke zwischen den Fingerspitzen halten und Energie aus Ihren Händen direkt in die Gelenke fließt. Halten Sie diese Position bei geschlossenem Mund etwa zwei Minuten (siehe Abbildung 7). Die Zahnreihen berühren sich nicht.
Übung 4: Hals- und Nackenmuskulatur
Verspannungen im Kiefer machen sich häufig im Nacken- und Schulterbereich bemerkbar. Um diesen zu entspannen, dehnen Sie zunächst die Muskulatur des vorderen Halses: Legen Sie den Kopf in den Nacken und bedecken Sie den Hals seitlich mit den Händen, ohne Druck auszuüben. Die Fingerspitzen reichen dabei bis hinter die Ohrläppchen (siehe Abbildung 8).
Dann neigen Sie den Kopf nach vorne und legen die Hände sanft auf Ihren Nacken (siehe Abbildung 9). Stellen Sie sich vor, wie Energie aus Ihren Händen über die gedehnte Nackenmuskulatur den ganzen Rücken hinunterfließt. Halten Sie die beiden Position jeweils für zwei Minuten.
Literatur
Grandjean M, Bornhofen P (Hrsg): Warum denn so verbissen? Kiefergelenksstörungen aus ganzheitlicher Sicht. Joy 2003
Kares H, Schindler H, Schöttl R: Der etwas andere Kopf- und Gesichtsschmerz: Craniomandibuläre Dysfunktionen. ICCMO Ratgeber 2007
Rafferty P: RESET 1 Workshop Manual. 2012
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