QM in der Freiberuflichkeit | Teil 31

Wochenbettbetreuung als QM-Prozess

Welche Hebammentätigkeiten als Prozesse im Sinne des Qualitätsmanagement zu verstehen sind, wurde in den ersten drei Teilen zum Thema Prozessdarstellungen erläutert (siehe DHZ 1, 2 und 3/2017). Wie können Hebammen die Anforderungen für die Wochenbettbetreuung im QM-System umsetzen? Und was nützt es ihnen? Monika Selow

Die meisten freiberuflichen Hebammen bieten Wochenbettbetreuung an. Die vielfältigen Inhalte sind in der Leistungsbeschreibung laut Anlage 1.2 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe dargestellt (siehe Download). Durchführung und Organisation der einzelnen Besuche und der Betreuungsdauer nach der Geburt unterscheiden sich jedoch erheblich, je nachdem in welchem Kontext die Wochenbettbetreuung erfolgt, so beispielsweise:

  • in den ersten Tagen nach der Geburt in der Klinik durch Beleghebammen (eine feste Hebamme oder ein Team)
  • zu Hause durch eine Hebamme/ein Team, die/das die Frau bereits umfänglich in der Schwangerschaft, im Kurs und bei der Geburt betreut hat
  • durch eine Familienhebamme, die erst nach der Geburt hinzugezogen wurde und zusätzlich weitere Aufgaben in der Familie übernimmt
  • durch Hebammen, die ausschließlich Wochenbettbetreuung anbieten und in der Schwangerschaft nur ein Vorgespräch mit der Frau hatten, sie gegebenenfalls aber auch bei Beschwerden oder Wehen betreut haben
  • durch angestellte Hebammen, die zusätzlich in geringem Umfang Wochenbettbetreuungen annehmen
  • Besuche bei Frauen, die sich erst nach der Geburt kurzfristig für eine Hebammenbetreuung entschieden haben
  • mit spätem Beginn der Betreuung, beispielsweise nach längerem Klinik­aufenthalt bei Frühgeborenen oder wegen Komplikationen.

 

Prozessveränderungen im Einzelfall

 

Tendenziell werden bei einer Frau, die die Hebamme bereits für Schwangerschaftsvorsorge, Kurs und Geburt in Anspruch genommen hat, weniger Besuche oder eine kürzere Betreuungsdauer nötig sein, als bei einer Frau mit Schwangerschafts- beziehungsweise Geburtskomplikationen oder sozialer Problemlage ohne vorherige Hebammenkontakte. Entsprechend unterschiedlich wird die Prozessdarstellung im QM-Handbuch der einzelnen Hebamme oder des Teams aussehen. Dieselbe Hebamme kann dabei in unterschiedlichen Settings tätig sein und im Einzelfall ist eine Änderung des Prozesses erforderlich, beispielsweise wegen Frühgeburtlichkeit, Krankheit oder Behinderung des Kindes, Trennung von Mutter und Kind durch längeren stationären Aufenthalt, schwere Stillprobleme, Fehlgeburt oder Tod.

Außerdem können durch Hebammenmangel Abweichungen vom selbst definierten Betreuungsmodell und Qualitätsanspruch erforderlich werden: Die einzige Hebamme im weiteren Umkreis, die noch Hausgeburten betreut, muss beispielsweise die Wochenbettbetreuung bei weiter entfernt wohnenden Frauen an eine näher wohnende Hebamme abgeben, weil sie keine Kapazität dafür hat. Regelungen in Geburtshäusern und Belegkliniken, nach denen immer die Hebamme die Wochenbettbetreuung übernimmt, die die Geburt begleitet hat, sind mit immer größer werdendem Einzugsgebiet nicht zu halten.

Zum Umgang mit Hebammenmangel gibt es unterschiedliche Strategien. Die einen Hebammen nehmen nur Frauen an, die ihrem bevorzugten Versorgungskonzept entsprechen. Andere Hebammen, die bereits ausgebucht sind, nehmen zusätzliche Frauen für einen begrenzten Zeitraum oder unter abweichenden Bedingungen an, wenn diese ansonsten gar keine Hebammenbetreuung gefunden hätten. Hier gäbe es zahlreiche Möglichkeiten für eine tatsächliche „Qualitätsverbesserung" und der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) hätte es selbst in der Hand, die Qualität der Hebammenversorgung wesentlich zu verändern, indem er die Rahmenbedingungen verbessert. Interessant wäre in dem Zusammenhang die Darstellung des Prozesses aus der Perspektive der Frau, wie sich ihr „Prozess" gestaltet hat, eine Hebamme zu finden oder die gesetzlich vorgesehene Wahlfreiheit in Anspruch zu nehmen.

 

Checklisten und Vorlagen

 

Der Vertrag trägt den unterschiedlichen Bedingungen in der Wochenbettbetreuung inhaltlich Rechnung, indem in der Leistungsbeschreibung steht:

„Die Leistungsbeschreibung beinhaltet mögliche Leistungen, auch wenn diese nicht alle für jede einzelne Versicherte notwendig sind ... Die operationalisierten Leistungen müssen nicht der Reihe nach und auch nicht in Gänze jedes Mal erbracht werden. Insbesondere im Wochenbett ist eine aufsuchende Betreuung anzustreben."

Eine Prozessdarstellung des Kernprozesses „Wochenbettbetreuung" ist dort möglich und sinnvoll, wo es einen standardisierten Prozess gibt, wie es in der Klinik der Fall ist. Dieser steht allerdings im QM-Handbuch der Klinik und ist damit nicht Gegenstand des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe. In Geburtshäusern kann die Erstellung sinnvoll sein, wenn es eine bestimmte Regelhaftigkeit für die Wochenbettbetreuung gibt und Überleitungen geregelt werden (beispielsweise an eine externe, näher wohnende Hebamme).

Eine Prozessbeschreibung kann auch sinnvoll sein für eine Hebamme, die ausschließlich nach einem bestimmten Betreuungskonzept arbeitet, die also zum Beispiel nur Frauen annimmt, bei denen sie auch die Schwangerenvorsorge und die Hausgeburt betreut hat. Hier stellt sich jedoch die Frage nach dem Nutzen für sie selbst.

Hebammen ohne Geburtshilfe, aber mit einer breiteren Streuung in den Betreuungskonzepten könnten den Prozess nur sehr grob darstellen, etwa in den folgenden Schritten:

  • Erstkontakt mit Anmeldung, Anamneseerhebung und Vermittlung wesentlicher Informationen
  • Wochenbettbetreuung nach der Klinikentlassung mit Dokumentation
  • Abschluss der Betreuung mit Feedback.

 

 

Auszug aus dem Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe

 

II. Vorhaltung und Pflege von Informationen/Unterlagen im QM-Handbuch der freiberuflichen Hebammen (Definition der Mindestanforder­ungen)

Fett gedruckt sind die möglicherweise (bei Arbeit im Team) für die Wochenbettbetreuung zusätzlich relevanten Bereiche.

...

5. Prozessdarstellung (Inhalte analog Leistungsbeschreibung und in Abhängigkeit vom spezifischen Versorgungsspektrum) für komplexe Aufgaben, z.B.

  • Kurse zur Geburtsvorbereitung und/oder Rückbildung
  • Betreuung im Wochenbettverlauf

Instrumente: Kurskonzept je Modul/Einheit, Übergabe bei Vertretungs­situationen

für komplexe Strukturen z.B.

  • Teamsituation (z.B. Prozedere zur Anmeldung der Versicherten)
  • Überweisung/Weiterleitung der Schwangeren/Gebärenden/Wöchnerin oder/und des/r Kindes/er an Kooperationspartner
  • Bestellung und regelmäßige Kontrolle von Material, Arzneimitteln, Geräten usw.
  • Erhebung, Einbeziehung und Bewertung von Befunden zur Risiko­abschätzung

Instrumente: Übergabe bei Vertretungssituationen, Arbeitsanleitungen, Verfahrensanleitungen, Liste der Kooperationspartner/Netzwerkliste, Checklisten u.a. sofern außerklinische Geburtshilfe erbracht wird: Arbeitsanleitungen insbesondere zum Risiko- und Notfallmanagement u.a.

Quelle: Auszug aus Anhang 3a zur Anlage 3 (Qualitätsvereinbarung) des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V.

 

Solch grobe Darstellung wäre jedoch weder nützlich noch informativ. Sinnvoller als eine Prozessdarstellung sind dann zum Beispiel eine Checkliste für den Erstkontakt, eine gute Dokumentationsvorlage und eine Checkliste zu Beratungsthemen.

Die Mindestanforderungen für ein QM-Handbuch nennen unter dem Punkt „Prozessdarstellungen" zwar die Wochenbettbetreuung als komplexe Aufgabe, als Instrument zu deren Erfüllung ist jedoch nur die „Übergabe bei Vertretungssituationen" benannt (siehe Kasten: Auszug aus dem Vertrag). Dies ist insofern ausreichend, als dass einige der für die Wochenbettbetreuung erforderlichen Handbuchbestandteile schon in den vorangegangenen Punkten der Mindestanforderungen abgearbeitet wurden.

 

 

Umsetzung der Mindestanforderungen an ein QM-Handbuch

 

Im November 2015 ist der durch Schiedsspruch festgesetzte neue Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) veröffentlicht worden. Danach ist jede freiberufliche Hebamme verpflichtet, bis Mai 2016 mit der Einführung eines QM-Systems begonnen zu haben und es bis Mai 2018 fertigzustellen. Die Mindestanforderungen an ein QM-Handbuch der Hebamme sind in Anhang 3a (Qualitätsmanagement) zur Anlage 3 (Qualitätsvereinbarung) des Vertrages definiert. Im zweiten Absatz mit der Überschrift „Vorhaltung und Pflege von Informationen/Unterlagen im QM-Handbuch der freiberuflichen Hebammen (Definition der Mindestanforderungen)" finden sich sechs Bestandteile, die von jeder Hebamme erwartet werden, unabhängig von ihrem Tätigkeitsspektrum.

Die DHZ stellt diese Bestandteile in der Reihe „QM in der Freiberuflichkeit" vor. Zusätzlich stehen im Archiv der DHZ unter https://www.dhz-online.de/index.php?id=944 jeweils editierbare Muster der QM-Dokumente zu den Themen kostenlos zum Download bereit. Hebammen können sie systemunabhängig in das eigene QM-Handbuch übernehmen.

 

 

Was nützlich sein könnte

 

Der Vertrag enthält einiges, dessen Nutzen sich für die Qualitätsentwicklung auf den ersten Blick nicht erschließt, was jedoch in gängigen QM-Systemen enthalten ist. Sofern diese Bestandteile nicht gesetzlich, fachlich oder haftungsrechtlich verpflichtend sind, ist zu empfehlen, deren Bearbeitung zunächst zurückzustellen, bis 2018 der Nachweis zur Einführung von QM (die Fertigstellung des Handbuches) erforderlich wird. Vielleicht ändert sich in der Zwischenzeit durch ausstehende Gerichtsurteile oder neue Vertragsabschlüsse noch etwas.

Daneben gibt es jedoch auch Möglichkeiten, tatsächlich nützliche Materialien zu erstellen oder zu nutzen, auch wenn diese im Vertrag nicht gefordert werden. Das können beispielsweise Dokumentationsvorlagen sein, Merkblätter oder Arbeitshilfen zu Screenings und Prophylaxen, zu speziellen Situationen wie Stillschwierigkeiten, Hyperbilirubinämie oder Thrombose, und Checklisten für das Vorgespräch oder für Beratungsthemen im Wochenbett.

Der Zeitpunkt für ein Abschlussgespräch ist durch die Verlängerung der Betreuungsdauer auf zwölf Wochen und anschließende Stillberatung nicht mehr so eindeutig. Sinnvoll könnte hier eine „Zwischenevaluation" sein, beispielsweise zwischen dem 10. und 14. Wochenbetttag mit einer strukturierten Untersuchung und Befragung, gefolgt von einem Gespräch zu den noch erforderlichen Maßnahmen und Wünschen der Frau für die weitere Betreuung. Für die Dokumentation bietet es sich an, tabellarische Vorlagen mit Feldern für Gewicht, Fundusstand und anderes nur in den ersten Wochen zu nutzen. Danach ist es sinnvoll, auf speziellen Vorlagen wie Stillbeobachtungsbogen, Gewichtsverlaufsbogen, Dokumentationsvorlagen der „frühen Hilfen" oder im Fließtext weiter zu dokumentieren.

 

Ausblick

 

Mit dieser Folge schließen die Mindestanforderungen an ein QM-Handbuch ab. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der DHZ wird eine erneute Verhandlungsrunde zum Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe abgeschlossen sein. Sofern sich daraus Änderungen zu den QM-Anforderungen ergeben, werden diese innerhalb dieser Reihe vorgestellt.

Rubrik: Organisation & Qualität, QM | DHZ 06/2017

Literatur

Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a Abs. 1 SGB V: in der Fassung des Schiedsspruches 2015. https://www.gkvspitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/hebammen/hebammenhilfevertrag/hebammenhilfevertrag.jsp (letzter Zugriff: 10.5.2017)

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