Ohne Folgen für die kindliche Entwicklung
Infektionen mit Sars-CoV-2 in der Schwangerschaft haben der Entwicklung der Kinder bisher offenbar nicht geschadet. Eine Studie konnte in den ersten beiden Lebensjahren keine Hinwiese auf neurologische oder psychologische Entwicklungsstörungen entdecken. Während einige Viren, Bakterien und Parasiten während der Schwangerschaft Embryos oder Feten stark schädigen oder sogar abtöten können, gelten die meisten Atemwegserreger als harmlos.
Influenzaviren, respiratorisches Synzytialvirus (RSV) oder auch Sars-CoV-2 gelangen selten in größerer Menge in die Blutbahn und ein Eindringen in den Kreislauf des Kindes ist extrem selten. Trotzdem kann sich jede schwere Erkrankung in der Schwangerschaft ungünstig auf die Entwicklung von Embryos und Feten auswirken.
Forscher:innen der Universität Calgary in der kanadischen Provinz Alberta haben – mit Unterstützung von Mitarbeiter:innen der Berliner Charité – seit April 2020 über die sozialen Medien (Twitter, Facebook, Instagram) Schwangere per E-Mail kontaktiert und gefragt, ob sie bereit wären, nach der Geburt regelmäßig Fragebögen zur Entwicklung ihres Kindes auszufüllen.
Bei 96 Müttern war während der Schwangerschaft mit einem PCR-Test eine aktive Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen worden. Die Vergleichsgruppe bildeten 800 Frauen, bei denen in einer Blutprobe keine Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachgewiesen wurden und die sich deshalb noch nicht infiziert hatten.
Die Frauen füllten im Alter von drei und zwölf Monaten ihres Kindes den Fragebogen IBQ-R VSF (»Infant Behavior Questionnaire-Revised Very Short Forme«) aus, der Aspekte des Temperaments bei Kleinkindern misst. Es gibt Fragen zu Lebhaftigkeit (Surgency), negative Emotionalität und Orientierung/Regulation. Im Alter von 24 Monaten folgte dann der Fragebogen ECBQ (»Early Childhood Behavior Questionnaire«), der ebenfalls Fragen zum Temperament enthält.
Die Meilensteine der körperlichen und mentalen Entwicklung wurden nach 12 Monaten und nach 24 Monaten mit dem Fragebogen ASQ-3 (»Ages & Stages Questionnaires«) erfasst. Zur sozial-emotionalen Entwicklung füllten die Mütter im Alter von 12 und 24 Monaten den Fragebogen ASQ:SE-2 (»Ages and Stages Questionnaire: Social-Emotional, second edition«) aus.
In den bisherigen Befragungen wurden laut Gerald Giesbrecht von der Universität Calgary und Mitarbeiter:innen keine Auffälligkeiten bei den Kindern gefunden, deren Mütter sich in der Schwangerschaft mit Sars-CoV-2 infiziert hatten.
Die einzige Ausnahme war eine vermehrte Selbstregulation im IBQ-R VSF nach 6 Monaten. Dies zeigt allerdings keine Schwäche der Kinder an, da eine größere Selbstregulation eine erhöhte Aufmerksamkeitsfähigkeit voraussetzt und deshalb als Stärke angesehen wird.
Infektionen mit Sars-CoV-2 in der Schwangerschaft scheinen sich in den ersten beiden Lebensjahren nicht negativ auf die Kinder auszuwirken. Die weitere Entwicklung im Kindes- und Jugendalter dürfte allerdings noch Gegenstand zukünftiger Studien sein.
Quelle: Vrantsidis, D. M., van de Wouw, M., Hall, E. R. M., Kuret, V., Rioux, C., Conrad, M. L., Mesa, C., Harris, A., Lebel, C., Tomfohr-Madsen, L., & Giesbrecht, G. F. (2024). Neurodevelopment in the First 2 Years of Life Following Prenatal Exposure to Maternal SARS-CoV-2 Infection. JAMA Network Open, 7(11), e2443697. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.43697 · aerzteblatt.de, 12.11.24 · DHZ