Studie aus Westafrika

Hitzestress hemmt das Wachstum vor und nach der Geburt

  • In Afrika leiden Schwangere und Kinder bereits unter zunehmendem Hitzestress, der auch in Europa droht.

  • Kinder, die im ersten Trimenon der Schwangerschaft einem erhöhten Hitzestress ausgesetzt waren, hatten in einer Studie aus Westafrika ein niedrigeres Geburtsgewicht. Der Hitzestress wirkte sich nach den in Lancet Planetary Health publizierten Ergebnissen auch in den ersten beiden Lebensjahren ungünstig auf das Gedeihen aus.

    Ein Team der London School of Hygiene & Tropical Medicine in Faraja (Gambia) hat die Auswirkungen des Hitzestresses anhand der Daten einer früheren Studie bewertet. Die ENID-Studie (Early Nutrition and Immune Development) hatte ursprünglich untersucht, ob Nahrungsergänzungsmittel (Proteine oder Spurenelemente) in der Schwangerschaft das Immunsystem der Kinder stärken können. Ana Bonell und Kolleg:innen setzten die Daten jetzt mit der Witterung in Beziehung. Maßstab war der Universal Thermal Climate Index (UTCI), der neben der Lufttemperatur auch Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung berücksichtigt.

    Bei der Geburt wogen 10 % der Säuglinge weniger als 2,5 kg und damit zu wenig für ihre Körpergröße, 33 % waren für das Gestationsalter zu klein und 1 % wurde zu früh geboren. Im Verlauf der Studie betrug der durchschnittliche UTCI 29,6 °C mit einer Bandbreite von 11,6 °C bis 34,0 °C. Das höchste Tagesmaximum lag bei 45,7 °C und das höchste Tagesminimum bei 28,9 °C.

    Nach den Ergebnissen war der Hitzestress sicher nicht der einzige Grund für die vorgeburt­lichen Wachstumsstörungen, hatte aber einen gewissen Einfluss. Der WGAZ (Weight-for-Gestational Age Z Score) sank mit jedem Anstieg des UTCI um 1 °C um 0,04 Punkte (1 Punkt im Z-Score entspricht der Standardabweichung).

    Das 95-%-Konfidenzintervall reichte von 0,00 bis 0,09 Punkte, so dass der Zusammenhang grenzwertig signifikant war. Es kann also sein, dass sich der Hitzestress in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ungünstig auf das spätere intrauterine Wachstum auswirkt.

    Im zweiten Trimenon hatte der Hitzestress keine erkennbaren Auswirkungen auf das intrauterine Wachstum. Im dritten Trimenon förderte er dann überraschenderweise das Wachstum des Gehirns. Der Kopfumfang nahm pro 1 °C im UTCI um 0,06 Punkte zu. Auch hier war das 95-%-Konfidenzintervall von 0,00 bis 0,12 grenzwertig signifikant.

    Auch nach der Geburt wirkte sich der Hitzestress ungünstig auf die Gewichtsentwicklung aus. Besonders deutlich war dies im Alter von 6 bis 18 Monaten. Bei Säuglingen im Alter von 12 Monaten, die einem mittleren täglichen UTCI von 30 °C im Vergleich zu 25 °C ausgesetzt waren, kam es zu einer Verringerung des WHZ (Weight-for-Height Z Score) um 0,43 Punkte (0,29–0,57) und des mittleren WAZ (Weight-for-Age Z Score) um 0,35 Punkte (0,26–0,45).

    Die Pathomechanismen sind nicht genau bekannt. Vor der Geburt könnten eine Dehydrierung und Entzündungsreaktionen im Organismus der Schwangeren eine Rolle spielen, vermutet Bonell. Auch epigenetische Störungen in Plazenta und Fetus seien vorstellbar.

    Nach der Geburt könnte es hitzebedingt zu einer Verminderung des Appetits oder auch des Nahrungsangebots kommen. Vermehrte Durchfälle durch verdorbene Nahrungsmittel könnten ebenfalls zu den Gedeihstörungen beitragen. Bonell sieht weiteren Forschungsbedarf und befürchtet, dass der Klimawandel die Mangelernährung bei Kindern vor allem in Afrika weiter verschärfen könnte.

    Quelle: Bonell, A., Vicedo-Cabrera, A. M., Moirano, G., Sonko, B., Jeffries, D., Moore, S. E., Haines, A., Prentice, A. M., & Murray, K. A. (2024). Effect of heat stress in the first 1000 days of life on fetal and infant growth: a secondary analysis of the ENID randomised controlled trial. The Lancet. Planetary health, 8(10), e734–e743. https://doi.org/10.1016/S2542-5196(24)00208-0 · aerzteblatt.de, 14.10.2024/DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 16.10.2024