Phase-2-Studie

Nipocalimab vermeidet intrauterine Transfusionen

  • Der Antikörper Nipocalimab, der den Transport von IgG-Antikörpern durch die Plazenta unterbindet, hat in einer Phase-2-Studie in Schwangerschaften mit einem schweren Morbus haemolyticus neonatorum bei jedem zweiten Feten die ansonsten unvermeidlichen intrauterinen Transfusionen vermieden.

  • Der Antikörper Nipocalimab, der den Transport von IgG-Antikörpern durch die Plazenta unterbindet, hat in einer Phase-2-Studie in Schwangerschaften mit einem schweren Morbus haemolyticus neonatorum bei jedem zweiten Feten die ansonsten unvermeidlichen intrauterinen Transfusionen vermieden. Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine publiziert.

     

    Morbus haemolyticus neonatorum

     

    Ein Morbus haemolyticus neonatorum (»hemolytic disease of the fetus and newborn«, HDFN) droht, wenn Frauen bei einer früheren Schwangerschaft IgG-Antikörper gegen Blutgruppeneigenschaften des Feten entwickelt haben. Die Antikörper gelangen bei den nachfolgenden Schwangerschaften über die Plazenta in den Kreislauf des Feten, was zur Zerstörung der Erythrozyten führt.

    Die Anti-D-Prophylaxe, die Rhesus-negativen Schwangeren vor der Geburt eines Rhesus-positiven Kindes angeboten wird, hat die Häufigkeit der Alloimmunisierung gesenkt, die die Ursache der HDFN ist. Die Inkompatibilität ist jedoch nicht immer bekannt und der Rhesusfaktor ist nicht der einzige Auslöser. Eine Alloimmunisierung ist im Prinzip bei allen Blutgruppeneigenschaften möglich, in denen sich der Fetus von der Mutter unterscheidet.

    Der Verlauf der HDFN ist unterschiedlich. Einige Kinder werden nur mit einer leichten Gelbsucht geboren. Bei anderen kommt es jedoch bereits im Uterus zu einer lebensgefährlichen Hämolyse, die oft mehrere intrauterine Bluttransfusionen notwendig macht. Diese sind mit einem gewissen Risiko auf Frühgeburten verbunden, die in der Frühschwangerschaft nicht mit dem Leben vereinbar sind.

    Der Antikörper Nipocalimab soll eine HDFN verhindern, indem er den Transport von IgG-Antikörpern durch die Plazenta unterbindet. Dies geschieht durch eine Bindung an FcRn-Rezeptoren, die am aktiven Transport von IgG-Antikörpern durch die Plazentaschranke beteiligt sind.

     

    Transport durch die Plazentaschranke

     

    Die Plazentaschranke besteht auf der mütterlichen Seite aus einer durchgehenden Synzytiotrophoblastenschicht und auf der fetalen Seite aus einer durchlässigen Zytotrophoblastenschicht. Der Transport durch die Synzytiotrophoblasten erfolgt in kleinen Endosomen. Sie bilden sich, wenn die Antikörper auf der Oberfläche der Synzytiotrophoblasten an FcRn-Rezeptoren binden. Die Endosomen wandern dann durch die Zelle und geben die Antikörper auf der anderen Seite der Plazentaschranke an den Kreislauf des Feten ab. Der Antikörper Nipocalimab verhindert dies.

    Die Wirksamkeit wurde in der internationalen Phase-2-Studie UNITY (deutsche Beteiligung Universität Gießen) an 13 Schwangeren untersucht, die in einer früheren Schwangerschaft aufgrund einer HDFN entweder ihren Fetus verloren oder mehrere intrauterine Transfusionen benötigt hatten. DNA-Tests hatten angezeigt, dass bei der aktuellen Schwangerschaft ebenfalls eine schwere HDFN drohte.

    Die Teilnehmerinnen erhielten deshalb zwischen der 14. und 35. Schwangerschaftswoche wöchentlich eine intravenöse Infusion mit Nipocalimab. Das Ziel war, die Zeit bis zur Geburt nach der 32. Woche ohne intrauterine Transfusionen zu überbrücken. Dies gelang in 7 der 13 Schwangerschaften (54 %). Bis auf eines überlebten alle Kinder. Bei den vorangegangenen Schwangerschaften waren nur 5 von 13 Kindern lebend geboren worden.

    Insgesamt sechs Kinder benötigten bis zu drei intrauterine Transfusionen. In den früheren Schwangerschaften hatten alle überlebenden Feten fünf Transfusionen erhalten. In sieben Fällen war es zu einem Hydrops fetales gekommen. Diese, am meisten gefürchtete Komplikation, war nach der Infusion von Nipocalimab in keinem Fall aufgetreten.

     

    Ergebnis der Behandlung

     

    Die Behandlung wurde von Mutter und Kind gut vertragen. Zu Infektionen ist es nicht gekommen. Sie waren beim Kind befürchtet worden, weil Nipocalimab auch den Transport der protektiven Antikörper durch die Plazenta blockiert. Bei der Schwangeren hätte es zu Infektionen kommen können, weil Nipocalimab die Halbwertzeit von Antikörpern im Blut verkürzt.

    Diese Wirkung ist Grundlage für den Einsatz bei Autoimmunerkrankungen. Der Hersteller führt derzeit eine Phase-3-Studie bei der Myasthenia gravis durch. Bei der Erkrankung kommt es aufgrund von Antikörpern gegen Strukturen auf der motorischen Endplatte zur Muskelschwäche.

    Zur Indikation HDFN hat der Hersteller jüngst mit der Phase-3-Studie AZALEA begonnen (ebenfalls mit Beteiligung der Universität Gießen). In der Studie sollen 120 Schwangere mit Nipocalimab oder Placebo behandelt werden. Erste Ergebnisse könnten 2027 vorliegen.

    Quelle: Moise, K. J., Jr, Ling, L. E., Oepkes, D., Tiblad, E., Verweij, E. J. T. J., Lopriore, E., Smoleniec, J., Sachs, U. J., Bein, G., Kilby, M. D., Miller, R. S., Devlieger, R., Audibert, F., Emery, S. P., Markham, K., Norton, M. E., Ocón-Hernández, O., Pandya, P., Pereira, L., Silver, R. M., … UNITY Study Group. (2024). Nipocalimab in Early-Onset Severe Hemolytic Disease of the Fetus and Newborn. The New England journal of medicine, 391(6), 526–537. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2314466 · aerzteblatt.de, 5.9.24 · DHZ

     

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 11.09.2024