Retrospektive Kohortenstudie

Beeinflusst der Blutdruck den Erfolg einer künstlichen Befruchtung?

  • Der Erfolg einer künstlichen Befruchtung scheint bereits bei als »hochnormal« bezeichnetem Blutdruck negativ beeinflusst zu sein.

  • Ein erhöhter Blutdruck hat vielfältige Auswirkungen auf den Organismus, der häufig mit Krankheiten wie chronischer Nierenerkrankung, koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall in Verbindung gebracht wird. Ob der Blutdruck auch den Erfolg der künstlichen Befruchtung per In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) beeinflusst, haben chinesische und deutsche Wissenschaftler:innen untersucht. Die Studie umfasste 73.462 Frauen, die sich im Krankenhaus von CITIC-Xiangya in Changsha (China) zwischen 2016 und 2020 erstmals einer reproduktionsmedizinischen Behandlung (IVF oder ICSI) unterzogen hatten.

    Die Auswertungen ergaben, dass ein höherer systolischer Blutdruck (SBP, um 10 mmHG erhöht) zu Beginn der Schwangerschaft, der aber nach den derzeitigen gültigen Diagnosekriterien noch als normal gilt, die Lebendgeburtswahrscheinlichkeit verringerte. Das adjustierte Relative Risiko (aRR) lag hier bei 0,988 (95-%-Konfidenzintervall (95-%-CI) 0,981-0,995, p = 0,001). Für den diastolischen Blutdruck (DBP) fand man keinen Hinweis auf eine entsprechende Korrelation.

    Ein höherer SBP und DBP war sowohl mit höheren Risiken für Fehlgeburten in den ersten Schwangerschaftsmonaten als auch mit Schwangerschaftsdiabetes und Schwangerschaftshypertonie assoziiert. Der Erfolg einer künstlichen Befruchtung werde somit bereits bei als »hochnormal« bezeichneten Blutdruck negativ beeinflusst, schlussfolgern die Studienautor:innen. In der Reproduktionsmedizin sei dies bisher nicht bekannt gewesen und dementsprechend nicht in der Versorgung von unfruchtbaren Frauen berücksichtigt worden.

    Die Studienautor:innen empfehlen das Blutdruckmanagement für Frauen im gebärfähigen Alter mit Schwerpunkt auf die reproduktive Gesundheit und hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos zu überdenken. Außerdem regen die Wissenschaftler:innen an, in einer weiteren Studie zu untersuchen, inwiefern blutdrucksenkende Maßnahmen bei unfruchtbaren Frauen mit hohem Normalwert hilfreich wären.

    »Es wäre interessant zu wissen, ob die Ergebnisse dieser Studie auch für Frauen gelten, die auf natürlichem Wege schwanger werden. Denn dies würde bedeuten, dass die Blutdruckrichtlinien, die in den letzten Jahrzehnten anhand von Daten zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgelegt wurden, für Frauen mit Kinderwunsch überdacht werden müssten«, kommentierte Mitautor Bernhard Krämer, Direktor der V. Medizinischen Klinik an der medizinischen Fakultät in Mannheim.

    In der Subgruppe von Frauen mit Hypertonie – entsprechend den derzeitigen Kriterien – lag die Geburtenrate um 5,4% niedriger als bei Frauen mit normalem Blutdruck (aRR 0,946, 95-%-CI: 0,907-0,986, p =0,009), was mit bisherigen Erkenntnissen zu Blutdruck und Geburtsereignissen übereinstimme, ergänzen die Studienautor:innen.

    Quelle: Ma, S., Hu, L., Chen, H., Liu, Y., Hocher, J. G., Xu, X., Gong, F., Krämer, B. K., Lin, G., & Hocher, B. (2024). Inverse association of pre-pregnancy Systolic Blood Pressure and Live Birth Rate in normotensive women undergoing IVF/ICSI. Fertility and sterility, S0015-0282(24)00460-6. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/j.fertnstert.2024.05.150 · aerzteblatt.de, 14.6.24 · DHZ

     

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 18.06.2024