Dürfen Schwangere Kaffee trinken?
Es gibt gute Gründe, sich Sorgen über schädliche Einflüsse des Kaffeekonsums auf die Hirnentwicklung der Feten zu machen. Denn während der Schwangerschaft ist der Abbau von Koffein im mütterlichen Organismus vermindert. Gleichzeitig passieren Koffein und seine Metaboliten die Plazenta. Im Feten können die Substanzen wegen der unterentwickelten Leberenzyme nur begrenzt abgebaut werden. Die bisher durchgeführten epidemiologischen Studien sind jedoch zu keinem klaren Ergebnis gekommen.
Shannon D’Urso von der Universität von Queensland in Brisbane und ihr Team haben den Zusammenhang deshalb erneut untersucht und dabei neben klassischen epidemiologischen Methoden auch eine Mendelsche Randomisierung benutzt. Das ist eine Methode der Epidemiologie und Biostatistik für nicht-experimentelle Studien zur Bestimmung des Einflusses veränderlicher Risikofaktoren auf Krankheiten.
Ausgangspunkt dieser Studie sind die in Genom-weiten Assoziationsstudien ermittelten Genvarianten (Single Nucleotide Polymorphism, SNP), die Menschen für einen erhöhten Kaffeekonsum prädisponieren. Die Mendelsche Randomisierung vermeidet dadurch weitgehend »Umweltfaktoren« wie Rauchen, Alkoholkonsum und andere schädliche Einflüsse, die in den klassischen epidemiologischen Studien möglicherweise übersehen werden. Die Daten der Untersuchung stammten aus der Norwegian Mother, Father and Child Cohort Study, die 46.245 Mütter (und Väter) und ihre Kinder bis zum Alter von acht Jahren begleitet hat. Dabei wurden auch Blutproben für genetische Tests entnommen.
In der klassischen epidemiologischen Untersuchung fanden die Forschenden zunächst klare Hinweise auf eine mögliche Schädigung. Die Kinder von Kaffee trinkenden Schwangeren hatten häufiger Probleme mit der sozialen Kommunikation und der Verhaltensflexibilität. Sie litten auch häufiger unter Aufmerksamkeitsstörungen und einem hyperaktiv-impulsiven Verhalten. In der sprachlichen Entwicklung waren sie jedoch im Alter von drei und fünf Jahren weiter.
Nach der Berücksichtigung von Bildung, Einkommen, Rauchen und Alkoholkonsum verschwanden die meisten Risiken. Signifikante Auswirkungen blieben aber bei der sozialen Kommunikation und bei der Verhaltensflexibilität im Alter von drei Jahren sowie bei Aufmerksamkeitsstörungen und hyperaktiv-impulsivem Verhalten im Alter von fünf Jahren und motorischen Schwierigkeiten im Alter von drei Jahren bestehen.
Auch in der Mendelschen Randomisierung war zunächst ein erhöhtes Risiko auf soziale Kommunikationsschwierigkeiten der Kinder im Alter von acht Jahren erkennbar. Dieses schwächte sich ab, wenn man die Eigenschaft eines einzelnen Gens betrachtete, verschiedene phänotypische Merkmale zu beeinflussen. Die Forschenden fanden tatsächliche einige SNP, die sowohl die Neigung zum Kaffeekonsum als auch die Prädisposition auf Tabakrauchen und Alkoholkonsum erhöhten.
Insgesamt kommen sie zu dem Fazit, dass eine Schädigung der neurologischen Hirnentwicklung durch Koffein, so sie überhaupt vorhanden ist, gering ausfällt. Die Studie hat allerdings nur einen Aspekt der möglichen Folgen des Kaffeekonsums untersucht. Es könnte noch andere Auswirkungen geben.
Quelle: D'Urso, S., Wootton, R. E., Ask, H., Brito Nunes, C., Andreassen, O. A., Hwang, L. D., Moen, G. H., Evans, D. M., & Havdahl, A. (2024). Mendelian randomization analysis of maternal coffee consumption during pregnancy on offspring neurodevelopmental difficulties in the Norwegian Mother, Father and Child Cohort Study (MoBa). Psychological medicine, 54(12), 1–14. Advance online publication. https://doi.org/10.1017/S0033291724002216 ∙ aerzteblatt.de, 28.10.2024/DHZ