Nicht länger zuschauen
Unser Familiengarten liegt an einem See in der Hannoverschen Leineaue. Alle paar Jahre taucht er für ein bis zwei Wochen im Hochwasser unter. So war es auch vor einem Jahr zu Weihnachten bis Mitte Januar – doch anders als sonst, stand diesmal halb Niedersachsen unter Wasser. Im vertrauten Garten, der plötzlich Teil einer Seenlandschaft geworden ist, wird die Radikalität der Naturgewalt spürbar, die mit Selbstverständlichkeit ihren Raum nimmt. Eindrücklich, wenn man sich in Wathosen langsam gegen den Widerstand fortbewegt, das Wasser zeitweise bis zur Brust, Wasser soweit das Auge reicht. Abschiedsgefühle, manche Pflanze wird nicht überleben. In unserem Garten ist das ein regelmäßiger Ausnahmezustand, auf den wir eingestellt sind. Man ahnt, was eine Überschwemmung bedeutet, wenn sie als Katastrophe kommt und Menschen mitreißt, Wohnhäuser und Existenzen vernichtet. Wir werden das Gartenhaus höher setzen müssen. Noch zeigen sich die Folgen des Klimawandels bei uns im Garten in verträglicher Dosis. Die großen Bäume und die Sonnenschirme lassen die Hitze nie unerträglich werden, auch nicht für meine 90-jährige Mutter und meine kleine Enkelin.
In der Schweiz, wo ich im Sommer mit meinem Mann ein paar Tage im Berner Oberland unterwegs war, hatten wir beim Wandern einen Gletscher vor Augen: Bestürzend, wie ihm sein Abschmelzen großflächig anzusehen war. Der glattpolierte, nackte Fels in seinem ehemaligen Bett: einer der vielen Beweise unwiederbringlichen Fortschreitens der Erderwärmung. Im kleinen Nachbarort Brienz war gerade bei einem schweren Unwetter der Milibach weit über die Ufer getreten und hatte mit Massen von Geröll, Schotter und Holz Teile des Ortes begraben, viele Häuser beschädigt. Ein anderes Schweizer Bergdorf, ebenfalls namens Brienz, muss aktuell alle Bewohner evakuieren, weil sein Berghang ins Rutschen geraten ist: Eine gigantische Steinlawine droht, der Fels wird in den oberen Regionen nicht mehr durch den Frost zusammengehalten, heftige Niederschläge verändern die Statik. Vielleicht müssen die Menschen ihren tausend Jahre alten Ort für immer verlassen.
Es ist aus mit dem Idyll und dem Zutrauen, dass alles bleibt, wie es ist. Die Medien sind voll von weltweiten Alarmsignalen und Katastrophen. Gerade kam die Meldung, dass das 1,5-Grad-Ziel bei der Klimaerwärmung dieses Jahr voraussichtlich erstmals überschritten wird.
»Midwives for Future« ist eine der Organisationen, in der engagierte Hebammen an der Basis aktiv werden, statt passiv zuzuschauen. Junge Eltern, die von Hebammen betreut werden, befinden sich in einer sensiblen Phase der Neuorientierung und wünschen sich für ihre Kinder eine gesunde, aussichtsreiche Zukunft. Hebammenarbeit ist prädestiniert dafür, aufzuklären und alltägliche Verhaltensänderungen in Familien zu tragen, für die Gesundheit der Erde und der Menschen, die darauf leben.
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