Das Lindenthaler Geburtshaus in Köln

Vielfalt bereichert

Ein Geburtshaus auf dem Gelände der Uniklinik Köln: eine Vision, die Taten folgen ließ und zu einem umfassenden Konzept interprofessioneller Zusammenarbeit wurde. Eine der Gründerinnen berichtet von der Motivation ihres Teams und der Umsetzung ihrer Ideen. Sandra Murn
  • Das Lindenthaler Geburts­haus in Köln steht auf dem Gelände der Uni-Klinik und ist doch komplett eigenständig – hier ein Blick in den dunkelroten Geburts­raum.

Wir haben im August 2021 unsere hebammengeleitete Einrichtung eröffnet, das Lindenthaler Geburtshaus e.V. in Köln. Dabei sind wir einen eher ungewöhnlichen Weg gegangen. Es begann damit, dass die Arbeitssituation in einem kleinen Kreißsaal für uns als Dienst-Beleghebammenteam durch Umstrukturierungen zunehmend unbefriedigend wurde. Schnell war klar, dass wir unser berufliches Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen und wollen.

 

 

Die Gebärräume zu gestalten, bot großen Raum für eine Kreativität, die dem Wohlbefinden der Frau dienen sollte - hier der rosa Geburtsraum.

Foto: © Lindenthaler Geburts­haus Köln

 

Recht bald entstand die Idee, eine eigene Hebammen-geleitete Einrichtung (HgE) zu gründen. Diese Möglichkeit wurde im Team diskutiert, kreativ ergänzt und verfeinert. Als das etablierte Kölner Geburtshaus darauf hinwies, wie groß die Anfrage nach Betreuung durch Geburtshäuser und somit das Bedürfnis der Frauen nach genau dieser Begleitung ist, war die Motivation zur Gründung endgültig geweckt.

Arbeitskreis Frauengesundheit

 

Die multiprofessionelle Schwangerenvorsorge stärken

 

Der Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF) schreibt: »In den nationalen Gesundheitszielen ›Gesundheit rund um die Geburt‹ von 2017 wurde eine Stärkung multiprofessioneller Schwangerenvorsorge/Schwangerenbetreuung und Geburtsvorbereitung ausdrücklich gefordert und ebenfalls in dem vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragten BQS-Gutachten als wichtig herausgestellt ... Untersuchungen zeigen, dass für die Bewältigung der bio-psycho-sozialen Veränderungen in dieser Zeit eine entsprechende multiprofessionelle Unterstützung notwendig und sinnvoll ist, die von den meisten Schwangeren auch gewünscht und dementsprechend in Anspruch genommen wird. … Eine kooperative Betreuung mit Ansprechpartner:innen verschiedener Professionen ermöglicht Schwangeren, ihre unterschiedlichen Bedürfnisse hinsichtlich Sicherheit und Selbstbestimmung zu regeln.«

Quelle: www.arbeitskreis-frauengesundheit.de/2019/06/28bruecken-bauen-statt-graeben-vertiefen-fuer-eine-kooperation-von-aerztinnen-und-hebammen-in-gegenseitigem-respekt/

 

Ein Geburtshaus für alle

 

Wir wollten die qualifizierte Versorgung von Schwangeren und Gebärenden auf ein Fundament aus Fachkompetenz der Hebammen stellen und aus Hebammenhand leiten.

 

 

Der rosa Geburtsraum bietet der werdenden Familie Platz zum Auszuruhen.

Foto: © karoundjens.com

Wir wollten darauf reagieren, dass sich die Bedürfnisse der werdenden Eltern nach Sicherheit und einem umfangreicheren Versorgungsnetz verändern. Deshalb galt es, einen Ort zu finden, an dem ein breit aufgestelltes Versorgungszentrum entstehen kann und der die interdisziplinäre Kooperation rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft ermöglicht.

Uns leitete die Überzeugung, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe ermöglicht werden muss, zugunsten einer frauengerechten Geburtshilfe und der Gesundheit der Familien. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Schwangeren in ihrer eigenen Kraft zu bestärken und sie im Prozess des Mutterwerdens zu unterstützen. Dabei bieten wir ihnen unsere Unterstützung mit unterschiedlichen Betreuungsangeboten an. Dazu gehört auch, während der Geburt Sicherheit durch eine kontinuierliche Eins-zu-eins-Betreuung zu geben. Das kooperative Zusammenspiel all der Möglichkeiten und Angebote für die Schwangeren führt zu einer guten Begleitung und am Ende zu einer guten Geburt. Unser Ziel war es, die Versorgungssituation in der Geburtshilfe zu verbessern, indem wir Ressourcen bündeln und Qualitätsstandards sichern (siehe Kasten).

 

 

Auch der Raum für Vorsorgen und Sprechstunden hat eine wohnliche Einrichtung.

Foto: © karoundjens.com

Unsere Vision war es, an einem Standort zu sein, der uns vielfältige Kooperationen ermöglicht. So ein Standort würde auch offen sein für Schwangere, die ein Geburtshaus üblicherweise nicht aufsuchen oder gar nicht kennen. Dort, wo es eine umfangreiche Versorgung gibt, kommen Schwangere mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Voraussetzungen und Vorstellungen zusammen. Wir wollten, dass Schwangere, die von uns nichts ahnen, Hebammenhilfe als normale Leistung und offen für alle erleben können. Wir wollten ein Geburtshaus gründen, das für alle offensteht. Dies wollten wir auch durch Kooperationen mit Gynäkologie und Pädiatrie erreichen. Zu unserer Idee gehörte es, unsere Hebammenarbeit humanistisch zu gestalten. Wichtig ist für uns, unterschiedlichsten Diskriminierungsformen sensibel zu begegnen. Die Vielfalt bedeutet für uns Bereicherung. Wir möchten voneinander und von den Menschen, die wir begleiten, lernen.

 

Arbeitsbedingungen verbessern

 

Nicht zuletzt wollten wir die Arbeitsbedingungen für uns Hebammen verbessern. Außerklinische Geburtshilfe zu leisten, ist für Hebammen mit Kindern oft schwer. Die Ansprüche an Flexibilität sind hoch und mit dem Familienleben schwer zu vereinbaren. Notwendig ist daher ein planbares Arbeitsleben, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.

Aber auch die Arbeitssituation der Kreißsaal-Hebammen hat sich zunehmend verschlechtert. Unterbesetzte Kreißsäle und durch Kreißsaalschließungen überfüllte Geburtsstationen lassen viele Hebammen »auf dem Zahnfleisch gehen«. Sie sind überlastet und entscheiden sich für eine Teilzeitstelle oder verlassen vollständig das Arbeitsfeld Geburtshilfe im Kreißsaal. Wenn dann die außerklinische Arbeit organisatorisch zu anspruchsvoll erscheint, lassen es immer mehr Hebammen ganz bleiben mit der Geburtshilfe.

Wir wollten für uns selbst und andere Hebammen einen Arbeitsplatz schaffen, an dem sich alle wohl fühlen können. An dem wir selbstbestimmt verantwortungsvoll arbeiten können. Wo wir unsere Profession leben können. Wo wir Zeit für die Schwangeren haben. Wo wir aber auch Zeit für uns selbst haben, nämlich durch feste Arbeits- und Freizeit. Wo jede arbeiten kann, wie sie eben kann, ohne sich zu überfordern.

 

Die Uniklinik als Partner

 

Um unsere Vorstellungen umsetzen zu können, suchten wir einen Ort, der die außerklinische Geburtshilfe optimal ergänzt. Dafür schien uns die Uniklinik in Köln ein geeigneter Partner zu sein.

Im Juni 2018 sind wir mit der Idee der »Gründung eines Geburtshauses auf dem Gelände der Uniklinik Köln« auf den dortigen Vorstand zugegangen, die Kreißsaal-Hebammen mit ihrer damaligen Leitung und die Gynäkologie und die Pädiatrie mit ihren Chefärzt:innen. Unserem Konzept entsprechend war es uns wichtig, von Anfang an alle mit einzubeziehen.

Nach unserem Anschreiben wurden wir recht zügig zu einem Treffen mit dem Vorstand eingeladen. Etwas nervös, aber gründlich überzeugt stellten wir unsere Ideen vor. Wir legten dar, was eine hebammengeleitete Einrichtung ausmacht. Wir erklärten, nach welchen Richt- und Leitlinien wir arbeiten, und brachten zum Ausdruck, dass evidenzbasiertes Arbeiten für uns absolute Maßgabe ist.

Damit stießen wir auf freudiges Interesse. Den Beteiligten war schnell klar, dass es für die Uniklinik Köln eine Bereicherung bedeuten würde, eine HgE in unmittelbarer Nähe zu haben. Die Vorstellung, ein Krankenhaus der Maximalversorgung, das gesellschaftliche Aufgaben in Forschung, Lehre und Krankenversorgung wahrnimmt, mit selbstverwalteter außerklinischer Arbeit zu verknüpfen, die auf Basis »normaler« gesunder Geburtsprozesse beruht, gefiel allen gut. Wir fühlten uns bestätigt.

 

Räume tun sich auf

 

Ab jetzt konnten wir konkreter werden. Das war zum einen die Suche nach geeigneten Räumen, zum anderen konkretisierten wir unser Konzept. Die Suche nach geeigneten Räumen, die wir anmieten könnten, gestaltete sich zäher als gedacht. In einem großen Unternehmen wie der Uniklinik Köln erfordert das ein hohes Maß an Logistik, zumal auch von unserer Seite gewisse Anforderungen bestanden, um alle Erfordernisse im Sinne einer HgE erfüllen zu können. Dazu gehört die Anzahl von Räumen, die eine bestimmte Ausstattung und Mindestgröße haben müssen.

Hinzu kam, dass unser Geburtshaus auch und gerade innerhalb der Uniklinik ein klar abgegrenzter Ort sein muss, an dem die Schwangeren und Gebärenden Ruhe finden. Das ist auch aus juristischen Gründen wichtig, weil wir transparent darstellen müssen, dass wir als HgE kein interner Teil der Uniklinik sind, sondern ein eigenständig geführtes Geburtshaus.

Im Herbst 2019 ist es gelungen, geeignete Räume innerhalb des Gebäudes der Uni-Frauenklinik zu finden. Dann begann die Arbeit mit der Architektin und der Bauleitung. Wir saßen immer wieder zusammen, um unsere Vorstellungen darzustellen und mit den Möglichkeiten abzugleichen. Wir konnten jetzt kreativ werden. Hier gab es ein großes Entgegenkommen. Die Räume wurden auf Kosten der Uniklinik weitgehend nach unseren Vorstellungen umgebaut. Die Miete ist entsprechend hoch.

Als der Baufortschritt den Eindruck machte, wir könnten zu Beginn 2021 eröffnen, machten uns neue Bauauflagen, angepasst an Corona, einen Strich durch die Rechnung. Eine sehr aufwendige Lüftungsanlage musste eingebaut werden. Das trieb die Kosten in die Höhe, was erst einmal abgedeckt werden musste. Außerdem wurde die Materialbeschaffung immer schwerer. So verzögerte sich der angestrebte Start immer wieder. Ende Juli 2021 war dann alles fertig und wir konnten zum 1. August 2021 eröffnen.

 

Die Kooperation umsetzen

 

Um die Kooperationen von Beginn an optimal zu integrieren, haben wir Gespräche mit Kreißsaal, Gynäkologie und Pädiatrie geführt. Darin haben wir gemeinsame Wünsche und Vorstellungen erörtert, aber auch Bedenken, Ängste und Sorgen besprochen.

Zu unseren gemeinsamen Zielen gehörte es, die gemeinsame Versorgung von Frauen und Kindern zu koordinieren. Beispielsweise lag der Pädiatrie eine gemeinsame Bilirubin-Sprechstunde am Herzen, in der die Kinder je nach Schweregrad von Hebammen oder Ärzt:innen betreut werden können. Mit den Stationen besprachen wir, wie die Betreuung der »Begleitmütter« aussehen könnte, die zum Beispiel früh oder krank geborene Kinder innerhalb der Uniklinik haben. Sie sind häufig unterbetreut.

Mit der geburtshilflichen Abteilung und der Pädiatrie haben wir besprochen, wie eine schnelle Notfallversorgung gut umgesetzt werden kann. Festgehalten haben wir dabei auch die Relevanz des gegenseitigen Austauschs. So wurden regelmäßige Treffen vereinbart, um gerade in der Anfangszeit die Umsetzbarkeit unserer Pläne zu prüfen. Wir haben miteinander Kooperationspläne ausgearbeitet und hierfür auch unsere Rechte verhandelt. Die Ergebnisse wurden in Kooperationsverträgen schriftlich festgehalten.

 

Ein Gründungsteam finden

 

Mit dem Aufbau eines Hebammenteams und der Suche nach Kolleginnen mit Lust und Energie für eine HgE-Gründung begannen wir im Frühjahr 2020. Aufgrund der zeitgleich auftretenden Corona-Pandemie haben wir uns überwiegend über das Internet kennengelernt und auf diese Weise ein Gründungsteam zusammengestellt.

Wir gründeten zunächst einen gemeinnützigen Trägerverein, der durch eine Partnerschaftsgesellschaft ergänzt wurde, innerhalb der die Hebammenarbeit geleistet und verwaltet werden kann. Die Abrechnung erfolgt über die Partnerschaft in einem Poolsystem. Der Trägerverein trägt die HgE über die Einnahmen der Betriebskostenpauschalen.

Die Anfangsfinanzierung hat der Trägerverein übernommen. Mit Krediten und Spenden konnte die Einrichtung der Geburtshausräume bezahlt werden, sowie die medizinische Ausstattung, Werbung, Versicherungen, juristische Beratung, die ersten Monatsmieten und viele »Kleinigkeiten« mehr.

Alle Kolleginnen waren damit beschäftigt, die Strukturen der HgE so einzurichten, dass die Versorgung der Schwangeren mit der räumlichen Fertigstellung unseres Geburtshauses beginnen konnte. Das war viel Arbeit, die ausschließlich ehrenamtlich stattgefunden hat.

Doch ein Rahmen war geschaffen, wir konnten unser Projekt nun mit Leben füllen!

Rubrik: DHZ 04/2023

Hinweis

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Im Artikel »Erfolgreiche Kooperation« berichtet die Autorin über die Angebote im Lindenthaler Geburtshaus.

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