Profitieren Frühgeborene von SurPluS?
Jährlich kommen in Deutschland etwa 65.000 Frühgeborene zur Welt (IQTIG 2020). Die Gründe für eine frühzeitige Geburt sind sehr unterschiedlich. Bei circa 30 % der Frühgeborenen besteht ein vorzeitiger Blasensprung bei der Geburt. Der Verlust an Fruchtwasser bedeutet für den Fetus sowohl einen Verlust an mechanischem Puffer als auch von wichtigen Wachstumsreizen, die unter anderem für die Lungenentwicklung, die Entwicklung der Luftwege und die mikrovaskuläre Reifung wichtig sind. Zusätzlich ermöglicht die Öffnung der Fruchthöhle die Entstehung von aufsteigenden Entzündungen.
Risiko für schwere Atemstörungen
Bei Frühgeborenen, die nach vorzeitigem Blasensprung geboren werden, erhöht sich daher das Risiko für eine schwere Atemstörung, pulmonale Inflammationsreaktion, persistierende pulmonale Hypertonie sowie für die Entwicklung von langfristigen Lungenerkrankungen (z.B. einer bronchopulmonalen Dysplasie/BPD). Frühgeborene mit einer BPD benötigen aufgrund der Lungenschädigung für einen längeren Zeitraum eine Atemunterstützung und/oder Sauerstoff und haben in späteren Jahren häufiger pulmonale Infekte (Bhandari et al. 2006).
Im Rahmen der Erstversorgung von Frühgeborenen wird bei schwerer Atemstörung regelhaft Surfactant in die Lunge appliziert, um die Entfaltung der Lungenbläschen zu unterstützen. Durch die Therapie mit Surfactant wird die Oberflächenspannung in den Lungenbläschen reduziert und somit der Sauerstoffaustausch in der unreifen Lunge verbessert. Kombiniert man Surfactant mit dem Steroid Budesonid, kann dies zusammen möglicherweise tiefer in die Lunge eindringen und dort lokal antientzündlich wirken.
Der Vorteil einer lokalen Therapie mit einem Steroid im Vergleich zu einer systemischen intravenösen Gabe besteht in einem geringeren Nebenwirkungsprofil. Systemische Gaben von Steroiden wirken sich zwar positiv auf die Lungengesundheit von kleinen Frühgeborenen aus, haben aber zum Teil unerwünschte neurologische Langzeitfolgen.
Bisherige Studien konnten zeigen, dass eine lokale Kombinationstherapie aus Surfactant und Budesonid dazu führen, dass Frühgeborene weniger häufig unter einer bronchopulmonalen Dysplasie leiden (Yeh et al., 2016; Bassler et al. 2015)
»SurPluS«
Die vorliegende Studie soll untersuchen, ob Frühgeborene mit vorzeitigem Blasensprung, die dadurch ein besonderes Risiko für Lungenerkrankungen haben, von der kombinierten Gabe, bestehend aus Surfactant und Budesonid, profitieren. Dafür wurde retrospektiv eine Kohorte aus Frühgeborenen der 22+0–32+6 Schwangerschaftswoche aus den Jahren 2017–2019 untersucht, die am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und am Universitätsklinikum Köln geboren wurden.
Die »SurPluS«-Gruppe beinhaltete 15 Frühgeborene mit einem vorzeitigen Blasensprung von mindestens fünf Tagen, die in den ersten 12 Lebensstunden mindestens einen Sauerstoffbedarf von 50 % hatten und eine Kombinationstherapie aus Surfactant und Budesonid innerhalb der ersten 12 Lebensstunden erhielten. Zur Verbesserung der statistischen Aussagekraft wurden pro rekrutierter Patient:in zwei Kontrollpatient:innen, die nur Surfactant und kein Budesonid erhielten, anhand der Kriterien Geburtsgewicht, Schwangerschaftswoche, antenatale Lungenreifebehandlung, Dauer des Blasensprungs, Geschlecht, Sauerstoffbedarf in den ersten zwölf Stunden und Vorliegen eines Amnioninfektionssyndroms aus dem Deutschen Frühgeborenen Netzwerk (GNN) rekrutiert. SurPluS-Kinder und Kontrollkinder unterschieden sich nicht im Gestationsalter, Geschlecht, in den Körpermaßen sub partu, Nabelschnur-pH sowie 5- und 10-Minuten-APGAR.
Im Vergleich der Gruppen zeigte sich, dass SurPluS-Kinder signifikant kürzer invasiv intratracheal beatmet werden mussten. Die intratracheale Beatmung stellt aufgrund der Beatmungsdrücke und Beatmungsvolumina eine besondere Stresssituation für die unreife Lunge von Frühgeborenen dar und ist mit diversen Komplikationen assoziiert. Daher versuchen Kinderärzt:innen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:innen stets, die Dauer der intratrachealen Beatmung soweit wie möglich zu verkürzen.
Des Weiteren zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der Dauer des Sauerstoffbedarfs. SurPluS-Kinder benötigten eine kürzere Sauerstofftherapie. Eine langfristige Sauerstofftherapie ist unter anderem mit chronischen Erkrankungen der Retina assoziiert. Kein Unterschied bestand in der Gesamtzahl der Beatmungstage (intratracheale Beatmung, CPAP-Beatmung und High-flow-Beatmung).
Abgesehen von den Beatmungszeiten wurden in der Studie zusätzlich wichtige Komplikationen von Frühgeborenen untersucht. SurPluS-Kinder hatten seltener Hirnblutungen, Pneumothoraces sowie Bronchopulmonale Dysplasien. Zusätzlich benötigten SurPluS Kinder seltener eine systemischen Steroidtherapie mit Dexamethason und Hydrocortison. Beide Medikamente können neurologische Langzeitnebenwirkungen haben. Keiner dieser Unterschiede war jedoch in signifikant.
Resümee
Mit der Studie konnten wir zeigen, dass die Kombinationstherapie aus Surfactant und Budesonid möglicherweise zu einer Verbesserung der Gesundheit von extrem kleinen Frühgeborenen nach vorzeitigem Blasensprung führt. Limitierend ist jedoch die noch kleine Gruppengröße und das retrospektive Studiendesign. Um unsere bisherigen Ergebnisse zu validieren, werden wir im nächsten Schritt die Fallzahlen erhöhen und gegebenenfalls eine randomisierte prospektive multizentrische Studie anschließen.
Literatur
Literatur
Bassler, D. et al., NEUROSIS Trial Group (2015). Early Inhaled Budesonide for the Prevention of Bronchopulmonary Dysplasia. N Engl J Med.
Bhandari, et al. (2006). Pulmonary outcomes in bronchopulmonary dysplasia. Semin Perinatol
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